Es war einmal ein Bäckermeister, dessen Bäckerei hatte zwei Türen. Die eine war schön und neu, die andere alt und hässlich. Während die eine quietschte, aus den Fugen fiel und alle Tage repariert werden musste, weil entweder die Klinke schon wieder abgefallen oder ein Holm herausgebrochen war, und wer weiß, was alles so kaputt gehen kann, so war die neue noch kein einziges Mal benutzt worden. Es war jedoch so, dass nur eine Möwe pflegte, in diesem Geschäft einzukaufen. Da sie aufeinander angewiesen waren, der gar so grimmige Bäcker und die Möwe, so hatte sie dem Bäcker beim Einbau der neuen Türe nach Kräften geholfen. Sie hatte geplant, getüftelt, gebaut und sogar einen Vertrag geschlossen. Und alsbald stand die Türe fertig da. Sie glänzte in der Sonne, so dass sie alsbald den Neid eines jungen Riesen erweckte. Der Riese war weit weg, doch er hatte Augen wie ein Adler und war so stark, dass er Steine von der Größe eines Berges zu werfen vermochte. Die neue Tür gefiel ihm ganz und gar nicht.
Bei einem ihrer Ausflüge nahm die Möwe wahr, wie ihr Hausbäcker mit anderen Bäckern skrupellos und gemein umging, wie er sie erpresste, sie schlug und ihnen eiskalt versuchte, ihre Geschäfte abspenstig zu machen, wie er ihnen die Schaufensterscheiben zerschlug und allerlei bösen Schaden anrichtete. Obwohl dies ihre einzige Möglichkeit war, an die köstlich duftenden, frischen Brötchen des Bäckermeisters zu gelangen, so weigerte sie sich genau von diesem Moment an, durch die neue Tür hindurch zu fliegen oder etwa daraus auch nur einen Brösel in Empfang zu nehmen. Sie beschloss, ihre Brötchen mit aller Konsequenz nur durch die alte Türe zu beziehen, um so dem Bäcker eine Lektion zu erteilen. Von diesem Tag an brachte sie mal mehr, mal weniger, meist weniger Backwaren zu ihrem Nest.
Ihre Küken quäkten bitterlich, denn sie waren verwöhnt und ernährten sich fast zur Hälfte nur von den überragend knusprigen und gar köstlichen Brötchen des Bäckermeisters. „Brötchen, wir wollen Brötchen essen! Nein, wir wollen nichts anderes, nur diese!“ schrien sie in einem fort. Obwohl die Brötchen weiß waren und unbekannte Zusatzstoffe in großer Zahl enthielten, so hinderten zahlreiche Unverträglichkeiten und Allergien die Möwenkinder doch an einer ausgewogeneren, gesünderen Ernährung.
Am nächsten Tag wartete die Möwe wieder vor der alten Türe des Bäckers und fand diese nur einen Spalt breit geöffnet. Der Bäcker reichte ihr zwei schmale, trockene Brötchen und hob die schon wieder zu Boden gefallene Klinke mürrisch hoch. „Bäcker, gib mir mehr! Das ist zu wenig.“ schimpfte sie. Doch der Bäckermeister brummte, sie könne an der anderen Tür so viele Brötchen haben, als sie nur tragen könne. Da flog die Möwe mit einer sehr viel kleineren Tüte nach Hause, als sie benötigt hätte. Als sie zu Hause ankam und die Mutter die schmale Ausbeute sah, da weinte sie bitterlich. Sie tippelte in den Wald und sammelte allerlei Blätter, Nüsse, Kräuter und Beeren, doch die Kinder bekamen davon Bauchschmerzen und Krämpfe. Die Möwenmutter hätte sie früher an diese gesündere Ernährung gewöhnen sollen. „Brötchen, wir wollen Brötchen essen! Nein, wir wollen nichts anderes, nur diese!“ krähten die Kinder in ihrer Not.
Am nächsten Tag, als die Möwe erneut vor der alten Türe des Bäckers saß und diese nunmehr ganz verschlossen vorfand, da brüllte sie: „Bäcker, gib mir Brötchen! Warum gibst du mir keine?“ Der Bäcker sagte zu ihr: „Die Tür muss repariert werden, sie geht nicht mehr auf. Mir fehlen wichtige Teile, um sie wieder instand zu setzen. Aber du kannst zur neuen Tür, die du vor einiger Zeit zusammen mit deinen Kumpels selbst mit eingebaut hast, einfach in mein Geschäft hereinkommen und dir nach Herzenslust aussuchen, was du wünschst. Du hast sowieso schon dafür bezahlt und wirst das auch noch für Jahre tun. Erinnerst du dich nicht an unsere Abmachung? Ich habe gebacken. Es wäre schade, wenn die Brötchen hart würden und ich sie zu Semmelmehl verarbeitet mühselig in einem anderen Quartier unter die Leute bringen müsste. Zur Not verbrenne ich sie gar. Was für ein Jammer.“ Der Möwe verging das Lachen, doch sie ließ sich nicht erweichen. Von nun an aß die Familie Fisch, ob es den Küken passte, oder nicht.
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